Täglich um 12 Uhr mittags klang der Radetzky-Marsch aus den Lautsprechern der Ortsrufanlage durch die Straßen Bad Rappenaus. Dann wussten die Einwohner, dass sie nun ihre Fenster öffnen müssen, um das Neuste aus dem Ort zu erfahren. Im alten Rathaus in der Heinsheimer Straße saßen Ratschreiber Karl Mann oder der Kämmerer, Herr Natterer, und verlasen die aktuellen Nachrichten aus den Ämtern.
Tagesaktuell erfuhr man die amtlichen Bekanntmachungen, Veranstaltungstermine, Vereinsnachrichten aber auch Todesfälle. Bis ins Jahr 1941 reicht die Geschichte der Ortsrufanlage in Bad Rappenau zurück, das hat eine Recherche von Stadtarchivarin Regina Thies ergeben. Ab Mitte der 1960er Jahre durfte dann auch Walter Geml, damals „Lehrling“ bei der Gemeindeverwaltung, die Nachrichten verlesen.
Walter Geml war es auch, der den letzten noch verbliebenen Lautsprecher der ehemaligen Ortsrufanlage für das Archiv der Stadt gesichert hat. Dieser war fast 85 Jahre lang, von 1941 bis 2025, an der Fassade des Hauses Hartmann in der Gartenstraße montiert. Der neue Eigentümer hat ihn Walter Geml überlassen. „Ich freue mich, dass ich dem Archiv nun ein Relikt aus vergangener Zeit übergeben kann“, so Geml.
Innen sind noch Reste der Originalfarbe, ein helles Grau, zu erkennen. Das Gehäuse hat in der langen Zeit Patina angesetzt, aber ansonsten ist das Gerät noch gut erhalten, obwohl es viele Jahrzehnte lang der Witterung ausgesetzt war. Frisch gereinigt soll der Lautsprecher aber nicht im Archiv verschwinden, sondern in einer Vitrine im Rathausfoyer an diese Zeit erinnern.
„Das ist eine echte Rarität“, freute sich Oberbürgermeister Sebastian Frei. „Ich bin sicher, viele wussten gar nicht, dass es so etwas einmal gab – ich auch nicht. Das war eine sehr unmittelbare Kommunikation damals, die Leute wollten auch wissen, was vor ihrer Haustüre passiert. Über die Lautsprecher war man top-aktuell informiert.“ Das konnte Walter Geml bestätigen, denn im Vorzimmer des Bürgermeisters, wo die Anlage mit Plattenspieler und Mikrofon aufgebaut war, befand sich auch die Telefonzentrale des Rathauses: „Und da konnte es sein, dass während man die Nachrichten verlas, ein Anruf kam, um etwas Dringendes noch schnell verlesen zu lassen.“
Weit über 100 dieser Lautsprecher waren in den 1950er und 60er Jahren im gesamten Stadtgebiet verteilt, montiert an die Wände von Privathäusern oder auf Holzmasten. In den 1960er Jahren wurde die Anlage immer störanfälliger und die örtliche Firma Elektro-Braun musste immer öfter ausrücken, um Kabel zu reparieren und Störungen zu beseitigen. Zudem waren mehrere Neubaugebiete geplant, und man hätte die Ortsrufanlage entsprechend erweitern müssen. Stattdessen entschloss man sich, künftig die Informationen wöchentlich in gedruckter Form zu verbreiten: Im Mai 1972 erschien das erste Mitteilungsblatt in Bad Rappenau.
Ortrufanlagen waren ab den 1950er Jahren auch in allen Stadtteilen im Einsatz, bis sie nach und nach von Mitteilungsblättern abgelöst wurden.